Der Bericht des Weltklimarats – und was er für uns bedeutet

Vor einigen Wochen ist der erste Teil des sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) erschienen. Der Bericht fasst den Stand des Wissens zur Klimakrise zusammen und synthetisiert hierbei tausende von Einzelstudien. Dadurch ist er das Grundlagendokument zum aktuellen Stand der Klimawissenschaft  und somit die wissenschaftliche Basis für die internationale Klimapolitik. Dies ist insbesondere für die Klimakonferenz der UNO in Glasgow im Herbst dieses Jahres wichtig, wo die Staaten über die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens verhandeln werden. Doch was sagt dieser Bericht konkret für die Klimapolitik in der Schweiz und im Kanton Zürich aus?

Menschlicher Einfluss klar

Gegenüber dem letzten vollen Sachstandsbericht des Weltklimarats, der vor acht Jahren erschienen ist, fällt auf, dass sich die grundlegenden Erkenntnisse kaumgeändert haben. Kurz zusammengefasst: die Temperaturen steigen, wir Menschen sind dafür verantwortlich und wenn wir eine noch schlimmere Erhitzung abwenden wollen, müssen wir alle Lebensbereiche schnellstmöglich dekarbonisieren.

 

Während die Grundaussagen des IPCC-Berichts sich gegenüber dem Vorgängerbericht nur wenig geändert haben, sind viele Resultate im Bericht noch klarer geworden. So hält die “Summary for Policymakers” in klareren Worten als je zuvor fest, dass der Einfluss des Menschen zweifelsfrei für die beobachtete Erwärmung in der Atmosphäre, den Meeren und an Land verantwortlich ist – noch klarer kann diese Aussage nicht werden. Anders ausgedrückt: Der menschgemachte Klimawandel findet nicht in ferner Zukunft statt, sondern hat längst begonnen. Und die Auswirkungen der Klimaerhitzung lassen sich nicht nur an der durchschnittlichen Erwärmung des Klimasystems feststellen. So schreibt der IPCC beispielsweise auch, dass man so gut wie sicher sei, dass Hitzeextreme aufgrund der Klimakrise in den letzten Jahrzehnten zugenommen haben. Im letzten Sachstandsbericht galt dieselbe Aussage bloss als “sehr wahrscheinlich”. Viele der Unterschiede seit dem letzten Bericht betreffen also primär die Sicherheit, mit der viele Aussagen gemacht werden können – aufgrund wissenschaftlicher Fortschritte und neuer Daten.

 

Der IPCC-Bericht macht auch Prognosen zur zukünftigen Entwicklung des Klimas, jeweils unter verschiedenen Szenarien zum zukünftigen menschlichen Treibhausgasausstoss.  So werden die globalen Temperaturen bis Mitte des 21. Jahrhunderts weiter ansteigen. Wir werden sowohl das 1.5°C- und 2°C-Ziel nur dann erreichen können, wenn wir unseren Treibhausgasausstoss in den kommenden Jahrzehnten einschneidend senken. Selbst im ambitioniertesten Szenario werden die Temperaturen zumindest kurzzeitig über 1.5°C steigen, ein Wert, zu dem sich praktisch alle Staaten der Welt mit der Unterzeichnung des Klimaabkommens von Paris bekannt haben. Nur die beiden ambitioniertesten Szenarien hinsichtlich Emissionsreduktionen können mit grosser Wahrscheinlichkeit einen Temperaturanstieg von mehr als 2°C gegenüber vorindustriellen Werten abwenden. Wollen wir den Temperaturanstieg stoppen, müssen wir global zu netto-null Treibhausgasemissionen kommen und zwar schnell. Denn jede zusätzliche Einheit an Treibhausgasen, das wir ausstossen, erwärmt die Atmosphäre weiter. Das CO2-Budget, das es uns erlauben würde, einen Temperaturanstieg von ungefähr 1.5°C mit vernünftiger Wahrscheinlichkeit (67%) zu erreichen, ist bei aktuellen Emissionswerten in weniger als zehn Jahren aufgebraucht.

 

Eine grössere Neuerung des IPCC-Berichts betrifft die Aufnahme einer Methode, um den Einfluss des Klimawandels auf einzelne extreme Wetterereignisse abzuschätzen. Durch diese Methode ist es nun möglich, bei einzelnen Ereignissen (beispielsweise einer Hitzewelle oder einem Hurrikan) abzuschätzen, wie sehr der Klimawandel ihre Eintretenswahrscheinlichkeit und ihre Intensität beeinflusst hat. Dank dieser Aussagen werden uns die Auswirkungen der Klimakrise nochmals in aller Deutlichkeit vor Augen geführt – gerade in einem Sommer wie diesem, in dem verschiedene extreme Wetterereignisse in unterschiedlichsten Regionen der Welt wüten. Sogar eine verhältnismässig kleine Änderung in der durchschnittlichen Temperatur führt zu einer messbaren Veränderung der Häufigkeit und Stärke von Extremereignissen.

Was heisst das für uns?

Aus politischer Sicht bleibt angesichts des fehlenden Fortschritts in der Klimapolitik und der gestiegenen Sicherheit der wissenschaftlichen Grundlagen erst mal eine gewisse Ernüchterung. Weitere acht Jahre sind seit dem letzten Bericht vergangen und die Lage ist nochmals ernster geworden. Für Politiker*innen muss die wohl wichtigste Erkenntnis aus dem neuen IPCC-Bericht diese sein: Wenn wir den maximalen Temperaturanstieg, der im Klimaabkommen von Paris festgehalten ist, nicht überschreiten wollen, bleibt praktisch keine Zeit mehr. Noch sicherer können sich die Wissenschaftler*innen in ihren Aussagen fast nicht sein. Der Ball liegt nun bei der Politik.

Die Pro-Kopf-Emissionen der Schweiz und des Kantons Zürich, welche im Inland entstehen, entsprechen ungefähr dem weltweiten Durchschnitt. Entsprechend ist auch das Zürcher CO2-Budget in weniger als zehn Jahren aufgebraucht – sofern man der Meinung ist, das verbleibende CO2-Budget sei gleich auf alle Personen weltweit zu verteilen. Diese Sichtweise ignoriert aber, dass Personen im globalen Norden überproportional für die historisch ausgestossenen Treibhausgase verantwortlich sind. Da wir unter anderem dank des Einsatzes fossiler Energien reich geworden sind und heute die Mittel für Klimaschutz haben, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir in der Schweiz und im Kanton Zürich alles unternehmen, um unsere Emissionen schneller zu senken, als wir das von anderen Ländern erwarten.

Ohnehin scheinen Rechnereien über das verbleibende CO2-Budget angesichts des Zeitdrucks und des Ernstes der Lage unnötig. Die Klimapolitik darf nur noch eine Richtung kennen, nämlich in Richtung netto-null, und in diese Richtung müssen wir so schnell wie möglich gehen. Klar ist, dass das Zieljahr 2050 dafür nicht reicht. Ob uns ein paar Jahre mehr oder weniger bleiben, um unsere Emissionen auf netto-null zu bringen, hat für die politischen Entscheide aber relativ wenig Einfluss. Wir müssen ganz einfach weg von fossilen Energieträgern. Denn der IPCC-Bericht zeigt auch klar, dass auch eine kleine Erwärmung zu substanziellen Auswirkungen bei extremen Wetterereignissen führen. Diesen Sommer haben wir eindrücklich gesehen, dass diese Auswirkungen auch für uns Europäer*innen gefährlich sind. Umso mehr gilt dies für Menschen in Ländern, die historisch gesehen eine viel kleinere Verantwortung für die Veränderungen tragen.

Nach dem Nein zum CO2-Gesetz im Juni dieses Jahres sind wir alle nun umso mehr gefordert. Politische Lösungen auf allen Ebenen – auf der internationalen, nationalen, kantonalen und kommunalen Ebene – müssen beschleunigt werden, um unsere Emissionen möglichst schnell runterzubringen. Dies beginnt im Kanton Zürich mit der Abstimmung zum Energiegesetz im November dieses Jahres. Dank dieses Gesetzes werden wir einen grossen Schritt weg von fossilen Heizungen machen, dem grössten klimapolitischen Hebel, den wir auf Kantonsebene haben. Diesen Abstimmungskampf müssen wir im Bewusstsein der Realität führen, die uns der IPCC-Bericht deutlich vor Augen geführt hat. Denn auch dies ist eine Aussage des Berichts: Die grösste Unsicherheit der zukünftigen Klimaentwicklung liegt an den künftigen CO2-Emissionen – und damit an den Entscheiden, die wir politisch treffen werden. Wir haben es in der Hand, die düstersten Szenarien nicht Wirklichkeit werden zu lassen.